Auf Lichtenberger Straßen – Filiz Keküllüoğlu
In jedem Newsletter stellen wir eine*n Lichtenberger*in vor. Mal ein Mitglied unseres Netzwerks, mal eine*n Nachbar*in, Landes- oder Bezirkspolitiker*in oder Anwohnende. Wesentlich: Wir sprechen über ein lebenswertes Lichtenberg und was es dafür braucht.
Heute im Interview: Filiz Keküllüoğlu
Seit wann fährst Du Fahrrad?
Seitdem ich Fahrrad fahren kann, also seit meiner Kindheit. Das Fahrrad gehört schon immer zu eins meiner Transportmittel – sei es um zur Arbeit zu kommen, um dienstliche Terminen zu erledigen oder in meiner Freizeit.
Wo wohnst Du ungefähr?
Ich habe das Glück, in der Nähe des Rathauses zu wohnen. Ich liebe meinen Kiez. Die Nähe zur S-, U- und Straßenbahn ist wirklich ein Privileg, was ich sehr zu schätzen weiß.
Was bedeutet das Radfahren für Dich?
Für mich bedeutet Radfahren Freiheit und Unabhängigkeit. Mit dem Rad bin ich unabhängig von Fahrzeiten oder Verspätungen des ÖPNV und vom Stau. Es kommt natürlich auf die Strecke an, doch in den meisten Fällen bin ich sogar mit dem Fahrrad schneller am Ziel als mit der S-Bahn.
Ich liebe es, beim Radfahren meine Gedanken sortieren zu können oder einfach mal den Kopf frei zu bekommen. Ich mag sehr den Gedanken, dass ich mich mit dem Fahrrad fortbewegen kann, ohne das Klima zu belasten und Abgase zu produzieren.
Welche Verkehrsmittel nutzt Du noch?
Ich benutze oft die öffentlichen Verkehrsmittel. Zwar sehr selten, aber ab und zu leihe ich mir auch das Auto meiner Eltern aus. Sie wohnen am Heiligensee; also muss ich dann wirklich sehr auf das Auto angewiesen sein.
Welche Ziele sind Dir besonders wichtig?
Ich setze mich für ein lebenswertes und gerechtes Lichtenberg ein. Ich will den Fußverkehr sicherer machen, den Radverkehr voranbringen und dabei unterstützen, den ÖPNV zu stärken. Ich fokussiere die klimaschonende Mobilität im Bezirk, weil ich einen Wandel für eine zeitgemäße Stadt will.
Mir ist es sehr wichtig, dass das Thema „Radwege“ wieder sachlich im politischen Raum behandelt wird. Eine sichere Fahrradinfrastruktur gehört für mich wie selbstverständlich zur Verkehrsinfrastruktur dazu – insbesondere in einer Metropole wie Berlin.
Mein Ziel ist es, den Verkehr von den vulnerabelsten Verkehrsteilnehmenden her zu denken, zu planen und umzugestalten. Das sind in erster Linie die Fußgänger:innen, insbesondere Kinder und mobilitätseingeschränkte Menschen. Dazu gehören barrierefreie Gehwege. Dann folgt der Radverkehr.
Wir sind Innenstadt- und Außenbezirk zugleich. Unser Stadtbild ist vielfältig, also geprägt von einem quirligen urbanen Lifestyle bis zu durch Natur geprägten dörflichen Strukturen in Malchow, Falkenberg und Wartenberg. Das Straßenbild dominiert vielerorts der KfZ-Verkehr. Dabei hat in Lichtenberg weniger als die Hälfte der Haushalte ein Auto, im Ganzen sind das 80.000 PKW. Gleichzeitig ist Lichtenberg der Bezirk, in dem der Autobesitz in Berlin am schnellsten abnimmt. Das liegt einerseits daran, dass unser Bezirk immer mehr Menschen anzieht, die für die Mobilitätswende sind, und zum anderen an der sozialen Zusammensetzung der Lichtenberger Gesellschaft; der Besitz eines Autos hängt schließlich auch von der Größe des Portemonnaies ab.
Gerade in Lichtenberg ist noch viel zu tun bzgl. des ÖPNV. Viele Menschen sind in ihrem Alltag (noch) auf ihr Auto angewiesen, weil die Anbindung mit den Öffis stark ausbaufähig ist. Viele Bürger:innen erzählen mir, dass sie gerne auf das Auto verzichten würden, wenn sie besser, zuverlässiger und mit einer höheren Taktung mit den Öffis an ihr Ziel kommen könnten. Eines meiner konkreten Ziele ist es, den Kiezbus nördlich der Frankfurter umzusetzen – gemeinsam mit der SenMVKU und der BVG. Nur so kann der ÖPNV zu einer attraktiven Alternative für das PKW werden.
Was ist für Dich eine lebenswerte Stadt?
Für mich ist eine Stadt lebenswert, wenn Menschen unabhängig des Einkommens, der Herkunft, der Religion, des Wohnortes und ihrer körperlichen Verfasstheit am gesellschaftlichen Leben teilhaben und in gesunden Wohnverhältnissen leben können. Derzeit ist es so, dass Menschen mit geringerem Einkommen eher diejenigen sind, die an den stark umweltbelasteten, stark befahrenen Straßen wohnen, kaum Grün in ihrer Wohnortnähe haben und somit mehr den Schadstoffen ausgesetzt sind. Es gibt noch viele Kieze in Lichtenberg, wo wir die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum aufwerten können. Wir sind derzeit dabei, unsere Spielplätze nacheinander zu sanieren bzw. neuzugestalten. Darüber freuen sich die Familien. Es gibt Kiezblock-Initiativen, die den Durchgangsverkehr aus den Wohnblöcken heraushalten wollen, um ihre Kieze lebenswerter zu gestalten. Auch hier unterstütze ich tatkräftig.
Welche Rolle spielt das Radfahren in deiner Arbeit?
Wie gesagt, Radfahren gehört zu meinem (beruflichen) Alltag – allein deshalb, weil ich die meisten Strecken damit überwinde. Ich bin zudem im engen Austausch mit den Rad- und Kiezblock-Initiativen; das heißt, in meinem professionellen Handeln lege ich u.a. auch den Fokus darauf, die Infrastruktur für Radfahrende in unserem Bezirk auszubauen und zu verbessern. Leider gehen die Projekte aus diversen Gründen nicht so schnell voran, wie ich mir das wünschen würde. Das ist der schwere Part an meinem Job für mich, weil ich ein ungeduldiger Mensch bin. Es ist eine große Herausforderung, die vakanten Stellen (Rad-, Fuß-, Verkehrsingenieur:innen) zu besetzen. So hoffe ich, dass wir demnächst hier Erfolge erzielen, um unsere Ziele erreichen zu können.
Welche Stelle in Lichtenberg ist jetzt definitiv zu gefährlich?
Es ist kein Zuckerschlecken, auf der Treskowallee oder auf der Hansastraße mit dem Rad zu fahren. Ich finde auch die Ruschestraße / Frankfurter Allee sehr gefährlich. Ferner muss man am Tierpark und an der Siegfriedstraße sehr achtsam fahren. Zum Glück wird nächstes Jahr ein Radweg auf der Siegfriedstraße für mehr Verkehrssicherheit beitragen. Die hier aufgeführte Aufzählung ist natürlich nicht vollständig.
Was würdest Du für Fußgänger*innen gern verbessern?
Ich möchte gerne für die Fußgänger*innen die Barrieren auf dem Gehweg abbauen, sodass sie sicher an ihrem Ziel ankommen. Ich bin mit der Senior:innnenvertretung und mit der Beauftragten für Menschen mit Behinderung im Austausch und bin für ihre wertvollen Hinweise bzgl. z.B. der Barrieren sehr dankbar. Sie weisen auf Bordsteinkanten hin, die abgesenkt werden müssen, auf fehlende Sitzmöglichkeiten im öffentlichen Raum oder aber auch zum Beispiel auf fehlende taktile und visuelle Orientierung und Handlauf an der Treppenanlage am nordöstlichen Eingangsbereich zum Fennpfuhlpark. Gemeinsam mit meinem Amt nehme ich diese Hinweise sehr ernst und wir arbeiten daran, diese umzusetzen.
Auch bereiten wir derzeit vor, ein Gremium für den Fußverkehr in Lichtenberg zu etablieren. Wir brauchen einen Ort, an dem Vertreterinnen von Verbänden sowie zivilgesellschaftlichen und weiteren relevanten Akteurinnen ihre Expertise dem Bezirksamt gemeinsam kundtun und das Bezirksamt bzgl. des Fußverkehrs beraten können.
Welche grundlegenden Veränderungen wünschst Du Dir für Lichtenberg bis 2030?
Ich wünsche mir Radverkehrsstrecken im und durch den Bezirk, die über weite Distanzen eine sichere Verbindung erlauben. Ich werde nach Möglichkeiten zur Bündelung des Radverkehrs suchen, notwendige Sanierungen von grobem Pflaster in der Landes- bzw. Bezirksplanung anmelden, um durchgehend asphaltierte Strecken zu erlauben.
Außerdem möchte ich eine erhöhte Schulwegsicherheit erreichen, damit Kinder autark und sicher an ihren Schulen ankommen.
Ich wünsche mir über den gesamten Bezirk verteilt schöne, ansprechende, barrierefreie und geschlechtergerechte Spielplätze und Flächen für Jugendliche und zeitgemäße Skateranlagen.
Ich wünsche mir verkehrsberuhigte Kieze mit hoher Aufenthaltsqualität und sichere Infrastruktur für alle Verkehrsteilnehmende. Dazu gehört es auch, die gestarteten Radprojekte mit der Unterstützung des Senats zielstrebig voranzubringen..
Wie bist du dazu gekommen, dich gesellschaftlich zu engagieren?
Mein Antrieb für gesellschaftliches Engagement waren insbesondere der Wunsch nach gerechter gesellschaftlicher Teilhabe von Menschen, die von Diskriminierungen betroffen sind, der Wunsch nach Bildungsgerechtigkeit (nach wie vor gibt es im Bildungssystem institutionelle Diskriminierung) sowie der Wunsch, meine Stimme für Klimaschutz zu erheben. Ich bin nicht zufällig bei Bündnis 90 / Die Grünen gelandet. Der Satz „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“, hat mich sehr geprägt.
Was möchtest Du 2024 erreichen?
Ich möchte alles in meiner Möglichkeit Liegende tun, um die Mobilitätswende voranzukommen. Dazu gehört erster Linie in 2024, die Radwege Siegfriedstraße und Scheffelstraße umsetzen, die Planungen voranzutreiben, um die Hentigstraße in eine Fahrradstraße umzugestalten sowie den Kiebzlock im Kaskelkiez, an der Rummelsburger Bucht sowie im Weitlingkiez Stück für Stück umzusetzen, hier werde ich mit der Schulwegsicherheit vor der Robinson Grundschule in der Wönnichstraße beginnen. Auch möchte ich den Austausch mit dem Netzwerk Fahrradfreundliches Lichtenberg weiter intensivieren; für dessen bisherige Unterstützung mich von ganzem Herzen bedanke.