Die Treskowallee scheint umgestaltet zu sein – war das alles?

Veröffentlicht von Dirk am

Ende 2020 kamen die umfänglichen Bauarbeiten entlang der Treskowallee und am S-Bahnhof Karlshorst endlich zu einem (vorläufigen?) Abschluss. Das Aufatmen war förmlich zu hören. Ein Ende hatten damit auch Verkehrschaos, massiver Ausweichverkehr durch die zum Teil sehr engen Nebenstraßen in den angrenzenden Wohngebieten, permanenter Rückstau (vor allem im Bereich der Ehrlichstraße), Straßenbahnen, die nicht mehr voran kamen, deutlich erhöhte Lärm- und Abgasemissionen und zahlreiche Unfälle, mit einer Verkehrstoten, eine von einem Lkw-Fahrer im Juni 2019 überrollte Fußgängerin. Wollte man der ganzen Fülle negativer Begleitumstände überhaupt etwas Positives abgewinnen, dann vielleicht die Hoffnung, dass angesichts des alltäglichen Irrsinns die eine oder andere Person mehr von der Notwendigkeit einer radikalen Mobilitätswende überzeugt wurde.

Es führt ein Weg ins Nirgendwo.
Also Ende gut, alles gut? Aus Sicht eines Radfahrenden will sich nur bedingt Freude einstellen. Am augenfälligsten zeigen sich die planerischen Versäumnisse im komplett neu gestalteten Kreuzungsbereich Rheinsteinstraße /Treskowallee. Der vom S-Bahnhof Karlshorst kommende (ohnehin nur auf das Mindestmaß angelegte) Schutzstreifen endet in Richtung Norden hinter der Rheinsteinstraße abrupt. Ein Hinweis auf jetzt wieder in den Kfz-Verkehrsfluss einschwenkende Radfahrende fehlt komplett. 

Die früher für den Schutzstreifen verwendete Bezeichnung des „Suggestivstreifens“ trifft es eigentlich ganz gut: Die laut Duden mit Suggestion gemeinte „geistig-psychische Beeinflussung eines Menschen, mit dem Ziel, ihn zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen“, ist gelungen. Der geneigte Radfahrende darf sich dann sofort wieder als störendes Element fühlen und sich Kamikaze-artig dem Autoverkehr ein- bzw. unterordnen. 

Hätten wir ja auch längst wissen können, dass Radfahrenden keine schützende Spur gegönnt wird. Die Beantwortung der Kleinen Anfrage des Grünen-Abgeordneten Harald Moritz zum Thema „Entlastung für den Straßenzug Treskowallee/ Am Tierpark) an das Berliner Abgeordnetenhaus aus dem Jahr 2012 war da unmissverständlich: „Der beengte Straßenraum in der Treskowallee zwischen Waldowallee und Dönhoffstraße lässt die Anlage von separaten Radverkehrsanlagen nicht zu. Die Markierung von Angebotsstreifen würde die Aufgabe einer Fahrspur erfordern. Dies ist aufgrund der starken Verkehrsbelastung jedoch nicht möglich.“ 

Planungsrechtlich bzw. verfahrenstechnisch ist also alles korrekt. Aber wurde nicht inzwischen dieses Mobilitätsgesetz verabschiedet? Dort wird doch allen Ernstes verlangt (§ 43): „Auf oder an allen Hauptverkehrsstraßen sollen Radverkehrsanlagen mit erschütterungsarmem, gut befahrbarem Belag in sicherem Abstand zu parkenden Kraftfahrzeugen und ausreichender Breite eingerichtet werden.“ Kam das jetzt – angesichts des fortgeschrittenen Planungsstandes – schlichtweg zu spät, oder ist es eher unpopulär, die Suggestion eines irgendwie sichereren Radfahrens durch die Beibehaltung des Schutzstreifens bis zur Einmündung der Waldowallee aufrecht zu erhalten (zugegebenermaßen bei deutlicher Einschränkung der Fahrbreite der Autostraße)? Und wie wäre es denn mit Tempo 30 auf dem gesamten Abschnitt? 

Das sind alles Suggestivfragen, auf die es eine klare Antwort gibt: Die Bauausführungen verstoßen gegen das seit Juni 2018 gültige Mobilitätsgesetz. Einzig die Tatsache, dass der seit Juni 2019 überfällige Radverkehrsplan von SenUVK bisher nicht geliefert wurde, kann als Entschuldigung herangezogen werden. Aber mal im Ernst: Muss erst wieder jemand sterben, bis die Angemessenheit der Auflagen auch in Karlshorst ankommen?  

Sonst noch was?
Ja.
  So hat die Dönhoffstraße jetzt an der Kreuzung zur Treskowallee eine Lichtsignalanlage (Ampel) erhalten. Damit wurde ein offizielles Versprechen des Bezirkes eingelöst, das ich an meinem Sohn kurz vor seiner Einschulung weitergab. Darüber, dass der inzwischen nicht mehr ganz so junge Mann Schule und Berufausbildung längst abgeschlossen und einige Jahre Arbeitsleben hinter sich gebracht hat, sollte ich eigentlich den Mantel des Schweigens legen. Manche Dinge brauchen einfach etwas länger. Blöderweise wurde darüber vergessen, zumindest den unmittelbaren Kreuzungsbereich mit einem “Schutzstreifen” zu versehen. Dafür wurde zwischen den beiden Eingängen zur Trabrennbahn Karlshorst ein neuer Radweg angelegt. Auch hier wird schnell klar, welche Art der Fortbewegung Vorrang hat: Der Fußweg ist jetzt in diesem Abschnitt recht schmal, da sich radfahrende und gehende Menschen den Verkehrsraum teilen. Dass eine solche Begrenzung mit Blick auf die weiteren Bebauungsabsichten und damit Zuzug von Bevölkerung, sozialer Infrastruktur etc. („Städtebauliches Konzept Trabrennbahn Karlshorst“) als zukunftsfähig erweist, darf jetzt schon bezweifelt werden.

Denn eines ist klar: Es wird in den kommenden Jahren in Karlshorst deutlich voller werden. Ist schon Lichtenberg einer der Bezirke mit dem größten prognostizierten Bevölkerungswachstum bis 2030, so gilt das für Karlshorst in ganz besonderem Maße. Innerhalb des Bezirkes werden hier die Einwohnerzahlen mit Abstand am stärksten zunehmen. Welche zusätzlichen Belastungen damit auf die bestehende Infrastruktur des Stadtteils zukommen, lässt sich leicht erahnen. Und wie es im ehemals beinahe ländlichen Vorort aussieht, wenn der motorisierte Individualverkehr an seine Grenzen stößt oder diese ignoriert, war – gewissermaßen als Probelauf für Zukünftiges – in den vergangenen Jahren auf o.g. Riesenbaustelle wahrzunehmen. 

Bleibt also zu hoffen, dass die Belange Karlshorsts und die zahlreichen Vorschläge der lokalen Initiativen bei der Senatsplanung des Berliner Radroutennetzes Berücksichtigung finden.

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