Auf Lichtenberger Straßen – Bertus Bouwman
In jedem Newsletter stellen wir eine*n Lichtenberger*in vor. Mal ein Mitglied unseres Netzwerks, mal eine*n Nachbar*in, Landes- oder Bezirkspolitiker*in oder Anwohnende. Wesentlich: Wir sprechen über ein lebenswertes Lichtenberg und was es dafür braucht.
Heute im Interview: Bertus Bouwman (34). Bertus ist gelernter Journalist und Mitbegründer einer deutsch-niederländischen Medienagentur. Er lebt seit 7 Jahren in Berlin, und schreibt über Politik, Wirtschaft, digitale Innovation und Mobilität.
• Seit wann fährst Du Fahrrad?
Ich bin auf einem Bauernhof in den Niederlanden aufgewachsen. Wahrscheinlich setzte mich meine Mutter auf ein Fahrrad, als ich zwei oder drei Jahre alt war, damit ich meinen Vater selbstständig besuchen konnte, wenn er im Kuhstall arbeitete. Radfahren ist für mich so selbstverständlich wie Laufen. Ich radelte selbständig mit meinen Nachbarskindern zur Grundschule (6 km) und zur Sekundarschule (20 km). Erst seit ich in Deutschland lebe, habe ich entdeckt, dass dies für die meisten Kinder nicht selbstverständlich ist.
• Wo wohnst Du ungefähr?
Zuerst wohnte ich in Karlshorst, aber nach meiner Heirat zog ich mit meiner Frau in Fennpful ein. Ich lebe total gerne in Lichtenberg, aber es wurde mir bald klar, dass Radfahrer hier kaum berücksichtigt werden.
• Was bedeutet das Radfahren für Dich?
Das Fahrrad ist in einer Stadt wie Berlin das bei weitem effizienteste Verkehrsmittel. Da ich nicht die Zeit habe, im Stau zu warten, fahre ich viel lieber mit dem Fahrrad. Trotz der schlechten Infrastruktur ist dies für mich immer noch mit Abstand das angenehmste Verkehrsmittel.
• Welche Verkehrsmittel nutzt Du noch?
Als ich nach Berlin zog, habe ich mein Auto verkauft. Obwohl ich gerne Auto fahre, ist es für mich in der Stadt völlig unnötig. Aber manchmal benutze ich ein Shared Car für Einkäufe und gelegentlich öffentliche Verkehrsmittel.
• Welche Ziele sind Dir besonders wichtig?
Ich möchte, dass Menschen von Jung bis Alt sicher Rad fahren können. Wir sollten auf der Straße keine Angst um unser Leben haben müssen.
• Was ist für Dich eine lebenswerte Stadt?
In den Niederlanden ist Radfahren eine soziale Aktivität. Ich fuhr immer neben Schulfreunden auf dem Nachhauseweg mit dem Fahrrad. So entstehen die schönsten Gespräche. Ich fühle mich jetzt wie Teil einer Entenfamilie, die hintereinander watscheln bzw. fahren muss.
Welche Rolle spielt das Radfahren in deiner Arbeit?
Ich merke, dass Radfahren ein schöner Moment ist, um über meinen Arbeitstag nachzudenken. Ich bekomme neue Inspiration und frische Luft.
• Welche Stelle in Lichtenberg ist jetzt definitiv zu gefährlich?
Lichtenberg ist vor allem für Kinder und Senioren leider weitgehend zu gefährlich. Aber wenn ich mich auf Fennpfuhl konzentriere, dann ist die Storkower Straße wirklich ein Problem. Da Autofahrer oft viel schneller als 50 Stundenkilometer fahren, ist es sehr gefährlich, die Straße zu überqueren. Verkehrsinseln könnten Fußgänger*innen und Radfahrenden helfen, sie sicherer zu überqueren, und die Geschwindigkeit von Autos verringern. Zudem verdecken geparkte Autos oft die Sicht. Wenn man die Radwege von der Fahrbahn trennt, kann man es für alle viel sicherer machen.
• Was würdest Du für Fußgänger*innen gern verbessern?
Bei mir in der Straße ist der Bürgersteig immer zugeparkt von Autos, die eigentlich kaum benutzt werden. Fußgänger*innen können sich dort kaum begegnen und es gibt kaum Platz für Senior*innen mit Rollator. Das würde ich gern ändern – und es wäre so einfach, gerade in der aktuellen Situation.
• Welche grundlegenden Veränderungen wünschst Du Dir für Lichtenberg bis 2030?
Ich hoffe, dass ein Ampelsystem eingeführt wird, in dem alle Verkehrsströme klar voneinander getrennt sind. Dies ist viel effizienter und sicherer.
Jetzt ist der Fahrradverkehr oft noch ein politisches Thema einer einzigen Partei. Ich hoffe, dass bald auch die Christdemokraten bis hin zu den Sozialisten entdecken werden, dass sicheres Radfahren keine Frage der politischen Farbe ist, sondern ein universelles Menschenrecht.